Venezianische Delikatessen by Daniela Gesing

Autor:Daniela Gesing [Gesing, Daniela]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-03T00:00:00+00:00

Kapitel 19

Caruso sah sich aufgeregt um. Nach dem Gespräch mit seinem Informanten hatte er sich entschlossen, die Zielperson erst einmal selber genau unter die Lupe zu nehmen. Er hatte heute Vormittag Zeit, denn sein Artikel für eine große deutsche Zeitung musste erst in einer Woche fertig sein. Er schrieb an einem Reisebericht über den Karneval in Venedig, und die meisten Fakten waren schon recherchiert.

Nun versuchte er, sich auf die Beschreibung des Mannes zu konzentrieren, die ihm der Informant gegeben hatte. Es ging darum, dass man sich in den kriminellen Kreisen Venedigs erzählte, jemand habe Beziehungen zu einem Mafioso, der vor zwei Jahren für tot erklärt worden war, aber in Wahrheit quicklebendig in Italien sein Unwesen trieb. Er hatte seinen behandelnden Arzt vor der Operation erpresst und dessen Familie mit dem Tod bedroht, sodass dieser ihm einen falschen Totenschein ausstellte und ihm half, unerkannt abzutauchen, nachdem eine weitere kosmetische Operation seine Gesichtszüge gravierend verändert hatte.

Dieser Andrea Vito Grande sollte sich noch in Venedig aufhalten. Angeblich wohnte er mit gefälschten Papieren in einem Hotel in der Nähe des Markusplatzes. Auffällig an ihm sei seine schmale, operierte Nase, außerdem trage er immer eine schwarze Kappe. Jeden Morgen mache er gegen neun Uhr einen Spaziergang zum Caffè Quadri, wo er einen Espresso zu sich nähme. Nun stand Caruso also mehr oder weniger unauffällig inmitten der Touristen und hielt Ausschau nach einem ihm unbekannten Mann, der in Verbindung mit dem Mord an Nicolo Zamparoni stehen könnte. Der große, blonde deutsche Journalist überragte die meisten Passanten um eine Kopflänge. Deshalb hielt er den Kopf leicht gesenkt und tat so, als studierte er eine Straßenkarte von Venedig. Endlich, um exakt fünf vor neun, bog ein Mann um die Ecke der Piazza San Marco, auf den die Beschreibung des Verdächtigen zutraf.

Caruso überlegte kurz, ob er Luca nicht doch besser hätte informieren sollen, sagte sich aber dann, dass er schließlich erst einmal schauen musste, ob an den Gerüchten überhaupt etwas dran war. Der angebliche Mafioso trug eine schwarze Hose, ein graues Hemd und hatte sich Plastiktüten über seine Straßenschuhe gezogen, um sich vor dem leichten Hochwasser zu schützen, das bis auf den Markusplatz gedrungen war. Caruso bevorzugte einfache blaue Gummistiefel, die er zu seinen Jeans trug.

Nachdem es die ganze Nacht unentwegt geregnet hatte, klarte der Himmel schon wieder auf. Die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Wolken. Caruso rieb sich die Hände. Er würde dem Mafioso folgen und ihn dabei beobachten, wen er traf und wohin er ging. Doch plötzlich blieb Andrea Vito Grande stehen, griff

in seine Hosentasche und ging an sein lautstark klingelndes Handy.

Als er nach dem Gespräch auf einmal auf seinem Weg kehrtmachte und direkt auf Caruso zusteuerte, fuhr diesem der Schreck in die Glieder. Angestrengt starrte er wieder in seine Straßenkarte, konnte aber nicht vermeiden, dass ihre Blicke sich kurz vorher trafen. Eine Hitzewelle durchfuhr seinen Körper. Wenn der Typ nur nicht merkte, dass er ihn observieren wollte.

Als Grande an ihm vorbei war, wagte er einen schrägen Blick nach vorne. Der Mann ging schnellen Schrittes auf den Campanile zu.

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